Europäische Papiersackindustrie stellt Weichen für Netto-Null-Ziel

von Gernot Rath

EUROSAC-Präsident Alessandro Selmin

„Viele Mitglieder von EUROSAC und CEPI Eurokraft machen hervorragende Fortschritte bei ihren Dekarbonisierungsmaßnahmen – jedes Unternehmen mit einer eigenen Strategie“, erklärt EUROSAC-Präsident Alessandro Selmin. „Für die Branche ist es jedoch ebenso wichtig, sich gemeinsam auf den Weg zu Netto-Null zu machen. Nachhaltigkeit war schon immer ein Motor für Innovationen in unserem Sektor. Die Entwicklung eines Netto-Null-Pfads wird die Zusammenarbeit fördern und uns anspornen, sowohl unsere Umweltbilanz als auch unsere Verpackungslösungen für unsere Kunden kontinuierlich zu verbessern.“ Der Netto-Null-Pfad ist ein gemeinsames Projekt der European Paper Sack Research Group (ESG). Die ESG erhebt seit über zwei Jahrzehnten alle drei Jahre Daten zur Lebenszyklusanalyse (LCI) und zum CO₂-Fußabdruck von Sackkraftpapier und Papiersäcken. Diese Daten bilden das Rückgrat des geplanten Fahrplans. Ende 2025 werden die neuesten Analyseergebnisse aus dem Jahr 2024 integriert.

Methodischer Ansatz. Die Berechnungen und Zielvorgaben für den Netto-Null-Pfad orientieren sich am Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol)1 und der Science-Based Targets initiative (SBTi)2. Im Vordergrund steht die Ermittlung der Hauptverursacher des CO₂-Fußabdrucks auf Branchen- statt auf Produktebene. Vorrangige Handlungsfelder zur Dekarbonisierung werden sowohl für Sackkraftpapierhersteller als auch für Papiersackproduzenten definiert, da sie vor unterschiedlichen Herausforderungen stehen. Der Fahrplan umfasst alle drei Emissionskategorien (Scopes), wie sie im GHG Protocol definiert sind. Die Zuordnung der Aktivitäten zu den Scopes erfolgt aus der Perspektive eines Unternehmens und bezieht sich auf Quelle und Art der Emissionen:

  • Scope 1: Direkte Emissionen durch die Verbrennung von Brennstoffen am Standort (z. B. Strom, Wärme, Dampf) sowie Prozess- oder diffusen Emissionen (z. B. aus der Abwasserbehandlung).
  • Scope 2: Indirekte Emissionen durch den Zukauf von Strom, Dampf, Wärme oder Kühlung.
  • Scope 3: Weitere indirekte Emissionen, z. B. durch den Einkauf von Waren und Dienstleistungen. Hierzu zählen unter anderem Emissionen aus eingekauften Rohstoffen wie Papier, Folien oder Farben, aus externen Transportdienstleistungen, sowie Emissionen beim Abfallmanagement. Aus Unternehmenssicht sind diese Emissionen am schwersten zu beeinflussen.

Schwerpunkte zur Reduktion von Emissionen. Zu den wirksamsten Hebeln zur Reduzierung von Scope-1-Emissionen zählen eine höhere Energieeffizienz sowie der Umstieg auf sauberere Energiequellen wie Biobrennstoffe, Solar-, Wind- oder Wasserkraft an den Produktionsstandorten. Scope-2-Emissionen lassen sich durch den Bezug von Strom aus CO₂-armen oder erneuerbaren Quellen verringern. Für Scope 3 ist die Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen mit einem geringeren Emissionsprofil entscheidend. Scope-3-Emissionen machen häufig den größten Anteil am CO₂-Fußabdruck eines Unternehmens oder einer Branche aus. Dies zeigt sich auch in den CO₂-Daten von 2021 für die europäische Papiersackindustrie, bei denen eingekauftes Sackkraftpapier und Kunststofffolien als die zwei Hauptverursacher des CO₂-Fußabdrucks eines Papiersacks identifiziert wurden.

Kontinuierliche Verbesserung des CO₂-Fußabdrucks von Papiersäcken. Ein Blick auf die historischen Daten zeigt: Zwischen 2007 und 2021 konnte die europäische Papiersack- und Sackkraftpapierindustrie ihren CO₂-Fußabdruck deutlich verringern. Die größten Fortschritte wurden in den Papierfabriken erzielt: Der fossile CO₂-Ausstoß pro Tonne Sackkraftpapier sank um rund 26 % – von 570 kg CO₂e auf 421 kg CO₂e. Hauptgründe dafür sind geringere Emissionen durch den Bezug von Netzstrom sowie durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in den Papierfabriken. Für Papiersackhersteller sind diese Einsparungen relevant, da sie als Scope-3-Emissionen gelten. Beim einzelnen Papiersack zeigt sich eine Verbesserung um 28 % – von 118 g CO₂e pro Sack im Jahr 2007 auf 86 g CO₂e im Jahr 2021. Dieser Fortschritt belegt, dass Dekarbonisierungsmaßnahmen entlang der Lieferkette bereits spürbare Ergebnisse liefern und den Weg für das Projekt zum Netto-Null-Fahrplan geebnet haben. Weitere Beispiele für Dekarbonisierungsprojekte aus der Branche.

Der Future-Proof Paper Sack for Low-Carbon Cement ist ein gutes Beispiel für die gemeinsamen Dekarbonisierungs-aktivitäten der Branche

Gemeinsam für eine bessere Zukunft. Die Verbände EUROSAC und CEPI Eurokraft vereinen Sackkraftpapier- und Papiersackhersteller sowie Produzenten von Folien, Klebstoffen und Maschinen. „Wir profitieren davon, dass wir bereits sehr eng zusammenarbeiten“, erklärt Selmin. „Diese starke Zusammenarbeit versetzt uns in die Lage, entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Papiersäcken positive Veränderungen voranzutreiben – und erleichtert es uns, Scope-3-Emissionen gemeinsam anzugehen.“ Ein aktuelles Beispiel ist die gemeinsame Produktentwicklung des Folienherstellers W. Gröning mit dem Sackkraftpapierproduzenten Billerud: Ihre Lösung mit reduziertem CO₂-Fußabdruck kombiniert ultraluftdurchlässiges, halbdehnbares Sackkraftpapier mit einer HDPE-Folie, die zu 35 % aus Post-Consumer-Rezyklat (PCR) besteht. Das Ergebnis: der Future-Proof Paper Sack for Low-Carbon Cement. Ein weiteres Beispiel für eine branchenübergreifende Zusammenarbeit ist das in Spanien gestartete Projekt Construction Goes Circular. Mit über 70 Unternehmen und 180 Baustellen fördert es das Recycling von Papiersäcken und anderen Baumaterialien und trägt so zur Emissionsminderung sowohl in der Papiersack- als auch in der Bauwirtschaft bei. „Solche Projekte und Innovationen zeigen, dass sich unsere Branche entschlossen auf einen klaren Fahrplan in Richtung Netto-Null verpflichtet hat“, sagt Selmin. „Gemeinsam können wir die Grundlage für echten Wandel schaffen.“

www.eurosac.org/net-zero

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